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Vorgeschichte: Drogenhilfe Ulm
Die "Drogenhilfe Ulm e.V." wurde am Montag, 19. Mai 1980, im traditionsreichen "Club orange" der
vh ulm gegründet - an jenem Ort, den
Inge Aicher-Scholl, 1946 die Gründerin der ersten deutschen Volkshochschule in Ulm,
als den Ort politischer Bürgerbeteiligung im Zentrum der vh ulm angesiedelt
hatte. Dort hatte es in den Monaten und Wochen vor der Gründung der Drogenhilfe äußerst lebhafte Debatten gegeben,
ausgelöst durch die Tatsache, dass die etablierten Psychosozialen Beratungsstellen von Diakonie
und Caritas die Ulmer Drogenszene nicht erreichten. Nie wieder habe ich den "club orange" so
brechend voll gesehen. Die Leute standen noch draußen im Flur und auf der Treppe, die Debatte
wurde mit Lautsprecher übertragen. Viele Schüler/innen und Studierende engagierten sich, waren
dann auch - neben betroffenen Eltern - unter den über 50 Vereinsgründern. Die Unterstützung von
allen Seiten war grandios, und so konnten wir noch 1980 das "Teehaus" als offene Anlaufstelle mit
4 Mitarbeitern eröffnen. Die Grundsätze der Ulmer Dogenhilfe:
- Offenheit: Das Teehaus ist für jede(n) offen.*
- Solidarität mit der Klientel.
- Unabhängigkeit: das Teehaus-Team ist clean und duldet im Teehaus keine Drogen.
* (außer für Polizei; mit dem Ulmer Rauschgiftdezernat gab es
eine verbindliche Vereinbarung, die im Wesentlichen auch eingehalten wurde)
Das Teehaus wurde in der Szene angenommen, wir vermittelten etliche
Konsumenten in stationäre Therapie, und so ergab es sich, dass wir schon bald über Möglichkeiten
der Hilfe bei Berufsausbildung und Wiedereingliederung nachdachten. Wir mieteten 1983 neue
Räume in der Radgasse an (das ist noch heute das Beratungszentrum der Drogenhilfe), um dort
eine Lehrwerkstatt einzurichten. Den Anstoß dazu gab der Heidelberger Verein "Hilfe zur
Selbsthilfe SuS e.V.", der uns die Anschubfinanzierung zusicherte. Doch dazu kam es
nicht. In der kontrovers geführten Debatte, ob Drogenhilfe außer Beratung auch Hilfe zur
Wiedereingliederung anbieten solle, legte ich den Vorsitz nieder, der übrige Vorstand nahm
einige Dutzend Mitglieder aus den etablierten Ulmer Psychologischen Beratungsstellen auf,
die Mitgliederversammlung kippte mit ihrer neuen Mehrheit das Werkstatt-Konzept, und so wurde
ein halbes Jahr später die Anode gegründet, denn die SuS wollte das Werkstatt-Projekt unbedingt
mit uns realisieren. Die Drogenhilfe Ulm aber hat mit einem neuen Vorstand die
Krise glücklicherweise überwunden, ein halbes Jahr später waren die früheren Mitglieder im Wesentlichen
wieder unter sich, und heute hält die Drogenhilfe in Ulm weiterhin ein unverzichtbares
Beratungs- und Betreuungsangebot bereit. Doch am Rande sei angemerkt, dass wir damals sehr wohl
wussten, warum die Anode nur 7 Mitglieder haben solle.
Gründung der Anode e.V.
Am Donnerstag, 17. Mai 1984, trafen sich abends in Ravensburg die 7 Gründungsmitglieder
- 7 müssen es nach dem deutschen Vereinsrecht mindestens sein - und gründeten die
Anode e.V. Und wenig später wurde in Ettishofen/Berg bei Ravensburg der
leerstehende dörfliche Ballsaal angemietet und zu einer Schreinerei ausgebaut.
Unser Ziel war, ehemals Suchtkranken, die eine erfolgreiche Therapie u.a. in
der Weißenau bei Ravensburg hinter sich hatten, eine Berufsausbildung als Schreiner
zu ermöglichen. Noch 1984 begann unser Betrieb der Schreinerei mit 12 Ausbildungsplätzen.
Die Schreinerei war von Anfang an professionell mit allen erforderlichen Maschinen
ausgestattet, so dass wir ohne Umstände die Zulassung als Ausbildungswerkstatt erhielten.
Ein großer Teil der Maschinen waren Sachspenden (so z.B. eine große Bandsäge von den
Wieland Werken in Ulm). Schon 1986 gab es die ersten Gesellenprüfungen.
In den folgenden 21 Jahren ihres Bestehens verließen unsere Schreinerei über 80 Gesellen,
etliche von ihnen sogar als Innungssieger. Bis auf wenige Ausnahmen bekamen sie alle
in Handwerk und Industrie dauerhafte, gut bezahlte Arbeitsplätze.
Möglich wurde dieser Bilderbuchstart durch das Engagement des Vereins "Hilfe zur Selbsthilfe
SuS e.V." in Heidelberg, vertreten durch seinen Geschäftsführer als einer der 7
Gründungsmitglieder der Anode. SuS e.V. stattete unsere Werkstatt mit einem Startkapital
von 240.000 DM aus und schoß in den beiden folgenden Jahren nochmals je 20.000 DM zu, bis
die Anode aus eigener Kraft wirtschaftlich erfolgreich arbeitete. Die laufenden Kosten
wurden dann durch Werkaufträge nachhaltig und gut erwirtschaftet. Und die Ausbildungskosten
deckte zum großen Teil die Arbeitsverwaltung durch Zuschüsse für Umschulungen.
Neben der großzügigen Anschubfinanzierung durch "Hilfe zur Selbsthilfe SuS e.V." war aber auch
die reibungslose Zusammenarbeit mit den regionalen politischen Institutionen sehr wichtig.
Rundum trafen wir mit unserem Konzept auf offene Ohren, und unsere Arbeit wurde wirkungsvoll
unterstützt und gefördert. Auch das trug dazu bei, dass die Anode sich schnell einen Ruf
als exzellenter Ausbildungsbetrieb erwarb - eben "schwäbisch solide".
Name:
Ursprünglich wollten wir den Verein "Brücke e.V." nennen, als "Brücke" in ein neues
selbst bestimmtes Leben. Doch diese Idee hatten andere auch schon (es gibt heute wohl mehrere
"Brücke" Vereine in Deutschland), und wir fanden diese Namensgebung dann doch nicht so originell.
Ein physikalischer Impuls brachte uns auf den Namen "Anode", den Pluspol, der negativ geladene
Teilchen anzieht.
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